Text: Frauke Janßen
Foto: Jonas Ginter
„Schon wieder?“ Diese Frage schwebt – oftmals unausgesprochen – im Raum, wenn berufstätige Eltern einen Anruf aus Kita oder Schule bekommen, dass sie ihr erkranktes Kind abholen müssen. Manchmal reagieren nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Kolleginnen und Kollegen genervt, wenn dann Arbeit liegenbleibt.
„Ich wurde mehrfach gefragt, ob ich es nicht anders organisieren könnte, wenn mein Kind krank ist“, berichtet die Arzthelferin Mareike Lüssen (Name geändert), die auf Minijob-Basis in einer Zahnarztpraxis arbeitet. Beschäftigte haben in einem solchen Fall allerdings Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung: „Sind die sozialrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, besteht dieser Anspruch pro Elternteil für maximal zehn Arbeitstage pro Kind und pro Kalenderjahr“, erläutert Torsten Kleine, Rechtsberater bei der Arbeitnehmerkammer. Dafür braucht es ein ärztliches Attest vom Kinderarzt, das Kind darf noch nicht zwölf Jahre alt sein und eine andere im Haushalt lebende Person kann das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen. Bei zwei Kindern verdoppelt sich der Anspruch auf 20 Tage. Bei mehr als zwei Kindern zieht das Gesetz die Höchstgrenze allerdings bei 25 Arbeitstagen pro Jahr. Alleinerziehende können pro Kind und Jahr 20 Tage beziehungsweise bei mehr als zwei Kindern 50 Tage zu Hause bleiben. „Und wer in Teilzeit beispielsweise nur halbtags arbeitet, darf zehn halbe Tage fehlen“, so Kleine.
Mareike Lüssen hat also grundsätzlich die gleichen Rechte wie andere sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Problematisch ist, dass gerade Minijobberinnen oftmals bei ihrem Ehepartner mitversichert sind und damit keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld haben“, gibt Rechtsexperte Kleine zu bedenken. „In den meisten Fällen greift im Krankheitsfall des Kindes vom ersten Tag an das Sozialrecht. Das heißt, Beschäftigte müssen Kinderkrankengeld bei der Krankenkasse beantragen“, erläutert Kleine. Das gilt nur bis zum zwölften Geburtstag des Kindes. Voraussetzung ist auch hier unter anderem ein ärztliches Attest vom Kinderarzt.
„Mein Mann musste in seinem neuen Arbeitsvertrag unterschreiben, dass er keine Fehlzeiten wegen Kinderbetreuung in Anspruch nehmen wird.“
In manchen Fällen werden Beschäftigte vertraglich unter Druck gesetzt: „Mein Mann musste in seinem neuen Arbeitsvertrag unterschreiben, dass er keine Fehlzeiten wegen Kinderbetreuung in Anspruch nehmen wird“, berichtet eine Lehrerin, deren Mann in der Energiewirtschaft arbeitet. „Das ist sozialrechtlich unzulässig“, sagt Torsten Kleine. Er empfiehlt, solche oder ähnliche Klauseln juristisch überprüfen zu lassen (etwa in der Arbeitnehmerkammer), damit Beschäftigte im Notfall ihr krankes Kind betreuen können.
In den allermeisten Fällen bleiben nach wie vor Frauen zu Hause, um ihre Kinder zu betreuen. Ähnlich sieht es auch bei den Alleinerziehenden aus: 2018 waren laut Statistischem Landesamt von 85.000 Familien im Land Bremen 24.000 alleinerziehend – davon 20.000 Frauen. Sie trifft es besonders hart, wenn sie sich zum Beispiel bei ihrem Kind mit einer Grippe anstecken. Wenn dann niemand die Kinderbetreuung übernehmen kann und das Kind jünger als zwölf Jahre alt ist, haben sie dann wenigstens einen Anspruch auf eine Haushaltshilfe – je nach Krankenkasse bis zu vier Wochen am Stück.
Wenn sich kurzfristig niemand finden lässt, der das Kind aus Schule oder Kindergarten abholen kann, dürfen Beschäftigte das selbst tun. Bevor sie den Arbeitsplatz verlassen, müssen sie den Arbeitgeber informieren (Anzeigepflicht).
Der Arbeitgeber muss den Lohn oder das Gehalt bis zu fünf Tage weiterzahlen. Wird das im Arbeits- oder über einen Tarifvertrag ausgehebelt – was nicht selten der Fall ist – greift für den Lohnausfall das Sozialrecht: Das heißt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen dann vom ersten Tag an Kinderkrankengeld bei ihrer Krankenkasse beantragen. Es beträgt meistens 90 Prozent des ausgefallenen Lohns abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge, allerdings maximal 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung. Das sind aktuell 105,88 Euro pro Tag. Kurzum: Das Kinderkrankengeld fällt geringer aus als der Lohn.
Was Sie auf keinen Fall tun sollten, ist sich selber krankzumelden. Das kann arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur Kündigung zur Folge haben. Sprechen Sie bereits im Vorfeld möglichst offen mit dem Arbeitgeber, welche Möglichkeiten Sie in einem solchen Fall haben – etwa Überstunden abbauen oder im Homeoffice arbeiten.
Dann greift das sogenannte Leistungsverweigerungsrecht. Das heißt, Beschäftigte dürfen der Arbeit fernbleiben, ohne arbeitsvertragliche Pflichten zu verletzen, haben aber keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Kinderkrankengeld. Alternativ kann der andere Elternteil sein Recht für zehn Tage beanspruchen oder seine Tage auf den Partner oder die Partnerin übertragen – dafür ist allerdings das Einverständnis des Arbeitgebers notwendig
Kammermitglieder können sich in Fragen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts kostenlos beraten lassen.