„Die Kosten gemeinsam schultern“
Einer von denen, die vom Aufstiegs-BAföG profitieren, ist Pascal Siemsen. Der 28-jährige Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik besucht derzeit die Meisterschule und macht damit eine klassische Aufstiegsfortbildung. Nach seinem Realschulabschluss und der anschließenden Ausbildung ist er inzwischen seit mehreren Jahren als Geselle tätig. Mehrfach hat ihn sein Chef in dieser Zeit gefragt, ob er nicht den Meister machen wolle. „Jetzt war der Zeitpunkt, wo ich mir gesagt habe: Wenn ich das jetzt nicht mache, dann wird das nichts mehr“, erzählt Siemsen. Und so geht er nun zweimal die Woche abends nach der Arbeit sowie samstags wieder zur Schule. Sein Privatleben müsse er in dieser Zeit zurückstellen, räumt der 28-Jährige ein. Eine weitere große Hürde sei es für ihn gewesen, wieder die Schulbank zu drücken: „Das lag mir am Anfang schon im Magen, zumal ich nicht der Typ bin, der alles gleich abspeichert, was ich lese.“ Er habe aber schon vieles gelernt und könne jetzt so manchen betrieblichen Ablauf besser nachvollziehen. Siemsen ist überzeugt: „Auf jeden Fall macht einen der Titel beruflich flexibler und gibt die Möglichkeit, später eventuell noch einmal in eine andere Richtung zu gehen.“
Wer sich weiterbilden möchte, muss zumeist viel Eigeninitiative entwickeln sowie organisatorische und finanzielle Hürden überwinden.
Bernd Käpplinger von der Justus-Liebig-Universität Gießen kritisiert, dass in Politik und Öffentlichkeit oft eher über die bessere Finanzierung von Frühpädagogik, Schul- und Hochschulthemen diskutiert werde, wenn es um Bildung gehe. „Es ist aber eine Illusion, dass primär und prioritär frühe Bildungsinvestitionen zu mehr sozialer Chancengerechtigkeit führen würden“, meint der Experte für Erwachsenenbildung. Er halte es für wenig sinnvoll, Investitionen in die Bildung je nach Zeitpunkt im Lebenslauf in einen Wettbewerb zu stellen: Vielmehr seien sie komplementär zu betrachten – sowohl vor dem Hintergrund der kommenden Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt also auch mit Blick auf den Nutzen von Weiterbildung für die persönliche, soziale und gesellschaftliche Entwicklung. Käpplinger plädiert dafür, dass Staat, Betriebe und Beschäftigte die Kosten für Weiterbildung wieder verstärkt gemeinsam schultern sollten: „Der seit Jahren zu beobachtende Trend zur Privatisierung von Weiterbildungskosten muss umgekehrt werden.“
Eman Abdulkarim musste ihren berufsbegleitenden Master of Business Administration an der Hochschule Bremen komplett aus eigener Tasche bezahlen. Die 28-jährige gebürtige Bahrainerin, die seit sechs Jahren in Deutschland lebt und aktuell Focke’s Café in Schwachhausen leitet, hatte ihren in der Heimat erworbenen Bachelor in Marketing und Management von der Bremer Bildungsbehörde zunächst nicht anerkannt bekommen. Die Hochschule kümmerte sich schließlich um die Anerkennung und verschaffte ihr so die Möglichkeit, doch noch den Master zu machen. „Mir hat das Lernen gefehlt, das fiel mir immer leicht und hat mir Spaß gemacht“, erläutert Abdulkarim die Beweggründe für ihr Masterstudium. Doch trotz aller Motivation habe sie die Doppelbelastung als Geschäftsführerin und Studentin oft an die Grenzen der Belastbarkeit geführt. Dass sie es nun geschafft hat, macht sie zufrieden und auch ein bisschen stolz. Welchen konkreten Mehrwert ihr der Abschluss einmal bringen wird, weiß sie heute noch nicht. Aber sie ist sicher: „Dieser Mehrwert ist für mich ein Gefühl der Sicherheit, dass meine Chancen etwas gewachsen sind.“
Beratung nutzen
Dass Arbeitnehmer in Bremen einen regelmäßigen Anspruch auf Bildungszeit (früher Bildungsurlaub) haben, ist mittlerweile hinlänglich bekannt – auch wenn dieser Anspruch unter anderem aus Sorge vor negativen Reaktionen von Vorgesetzten und Kollegen nach wie vor nicht flächendeckend genutzt wird. Wer sich darüber hinaus einen Überblick über das vielfältige Angebot an betrieblichen, öffentlichen und privaten Weiterbildungen sowie über die zur Verfügung stehenden Finanzierungsmöglichkeiten verschaffen möchte, steht vor einer großen Aufgabe. Hilfe bietet da die Weiterbildungsberatung des Landes Bremen in den Räumen der Arbeitnehmerkammer. Beraterin Hella Grapenthin hat für Menschen mit den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen wertvolle Tipps parat. Die meisten, die zu ihr kommen, sind an einer konkreten Fort- oder Weiterbildung interessiert, wollen sich noch einmal umorientieren oder zusätzliche Qualifikationen erlangen, um ihr berufliches Tätigkeitsfeld auszuweiten. „Altersmäßig liegt der größte Schwerpunkt in der Beratung bei den 41- bis 50-Jährigen“, berichtet Grapenthin. „Offenbar ist in dieser Phase nach vielen Jahren im Beruf noch einmal der Punkt gekommen, an dem es einen Wunsch nach Veränderung gibt.“
So wie bei Meike Heitmann. Die künftige examinierte Altenpflegerin ist trotz aller Anstrengungen, die ihre berufsbegleitende Weiterbildung mit sich bringt, dankbar für die Chance, die sich ihr geboten hat. „Es ist die einzige Möglichkeit für manche Frauen, noch etwas aus ihrem Leben zu machen“, sagt sie, „weil sie keine andere Möglichkeit haben, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.“ Sie nehme vor allem ihren Stolz aus dieser herausfordernden Zeit mit, sagt die 45-Jährige: „Ich kann sagen, dass ich es nach 30 Jahren und in dem Alter geschafft habe, mich noch eine Stufe höher zu katapultieren.“