Text und Fragen: Anne-Katrin Wehrmann
Wir haben die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der fünf Parteien, die in der vergangenen Wahlperiode über Fraktionsstatus verfügten, vor der Wahl zu ihren Zielen befragt. Im Fokus standen drei Themen, die für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von besonderem Interesse sind:
Das Thema Ausbildung hat sich in den vergangenen Jahren zum Dauerbrenner entwickelt. Während bundesweit 2018 so viele Ausbildungsplätze angeboten wurden wie seit 2009 nicht mehr, war in Bremen die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zum wiederholten Mal rückläufig. Nach Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung im Land Bremen kamen voriges Jahr auf 100 Ausbildungsinteressierte nur 71 Ausbildungsplätze.
Die Digitalisierung ist für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen eines der drängendsten Themen der Gegenwart und vor allem auch der Zukunft. In vielen Bereichen hat sich die Arbeitswelt durch digitale Techniken bereits erkennbar verändert. Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossenen: Während manche die Chancen der Digitalisierung sehen, haben andere Sorge, was mit ihren Arbeitsplätzen geschieht. Wo die neuen Technologien Arbeit übernehmen, braucht es Alternativen für die Beschäftigten.
An allen Ecken und Enden Bremens wird gebaut, es gibt diverse Förderprogramme, die Mietpreisbremse wurde verschärft – und doch ist bezahlbarer Wohnraum in vielen Quartieren Mangelware. Gerade auch Beschäftigte mit geringen und mittleren Einkünften haben es immer schwerer, eine finanzierbare Bleibe zu finden.
Text: Anne-Katrin Wehrmann
Dass die Wahl zum Europäischen Parlament auch für die Bremerinnen und Bremer eine große Bedeutung hat, steht für Staatsrätin Ulrike Hiller außer Frage. „Wir haben viele Vorteile durch die Gemeinschaft“, meint Bremens Bevollmächtigte beim Bund, für Europa und Entwicklungszusammenarbeit. Insgesamt 179 Millionen Euro erhält das Land Bremen in der Förderperiode 2014–2020 aus verschiedenen EU-Töpfen. Geld, das unter anderem in neue Arbeitsplätze, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und mehr Lebensqualität in unseren beiden Städten fließt.
„Und wir lernen viel voneinander, ob in der Schule, in Ausbildung und Studium, in der Arbeitswelt oder im Kulturbereich.“ Gerade durch den Brexit werde deutlich, wie eng Europa schon zusammengewachsen sei und welche Nachteile es bringe, sich zu trennen. Natürlich müsse sich die EU noch besser aufstellen und die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund rücken: „Genau dafür brauchen wir ein starkes Parlament, um die demokratischen Kräfte zu unterstützen“, betont Hiller. Dass im Land Bremen mehr als 40.000 Bürger aus anderen EU-Ländern leben und arbeiten, ist für die Staatsrätin ein Beleg dafür, dass der Zwei-StädteStaat von einem Europa ohne Grenzen profitiert. „In Brüssel sind wir als kleine, aber engagierte Region bekannt, die sich sehr aktiv einbringt“, berichtet sie. „Mit Europa haben wir die Chance, Herausforderungen zu bewältigen, die wir alleine nicht stemmen würden – ob in der Handelspolitik, bei einer nachhaltigen Entwicklung oder bei der sozialen Absicherung.“
Für Annette Düring, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Region Bremen-Elbe-Weser, schafft die EU durch eine Vielzahl an Grundfreiheiten wertvolle Rechte und Chancen – sowohl auf persönlicher Ebene, etwa durch die Grenzfreiheit und den Euro, als auch für Arbeitnehmer und Betriebsräte. Als Beispiel nennt sie die Arbeitnehmerfreizügigkeit, nach der Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz innerhalb der EU frei wählen dürfen und gegenüber einheimischen Beschäftigten gleichberechtigt behandelt werden müssen. „Vom daraus entstehenden Aufenthaltsrecht profitieren auch Familien“, macht Düring deutlich. Positiv sei zum Beispiel auch die Möglichkeit zu bewerten, dass in Unternehmen, die in mehreren Mitgliedsstaaten operierten, Europäische Betriebsräte (EBR) gegründet werden könnten. „So können sich Mitarbeiter aller Standorte innerhalb der EU vernetzen und ihre Interessen gebündelt vertreten“, erläutert sie. Und die vor wenigen Jahren verabschiedeten neuen Vergaberichtlinien legten fest, dass bei öffentlichen Ausschreibungen nun auch soziale und ökologische Aspekte eine Rolle spielten: „Für Betriebe, die sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit orientieren, bedeutet dies eine klare Besserstellung.“
Dass sich die Wahlberechtigten in Deutschland insgesamt eine sozialere Ausrichtung der EU wünschen, geht aus einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel Gerechter. Sozialer. Weniger ungleich. Was die Deutschen von Europa erwarten hervor. Demnach genießt die EU weiterhin eine breite Akzeptanz bei der deutschen Bevölkerung – zugleich sehen aber zwei Drittel der Bürger Reformbedarf, insbesondere auch bei den Themen „Gerechtigkeit“ und „Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen/Lebenschancen“.