Text: Meike Lorenzen
Foto: Universität Bremen
Frau Tecklenburg, warum haben Sie eine Ausbildung in der Pflege gemacht?
Ich konnte mir nach der Fachoberschule sowohl eine Ausbildung im kreativen als auch im sozialen Bereich vorstellen. Nach einem halbjährigen Praktikum im Pflegebereich war mir dann klar, dass das mein Ding ist.
Was hat soviel Spaß gemacht?
Ich war in der Unfallchirurgie. Da habe ich unglaublich schnell sehr viele unterschiedliche Dinge gelernt. Und gleichzeitig konnte ich mit meiner Arbeit Menschen helfen. Für diese Hilfe bekommt man viel Dankbarkeit zurück. Das motiviert.
Sie hätten sich also vorstellen können den Job ein leben lang zu machen?
Das nicht. Mir war sehr schnell klar, dass ich das gut fünf bis sechs Jahre machen kann. Mehr aber auch nicht.
Warum nur so kurz?
Einerseits bin ich ein Mensch, der schnell neue Herausforderungen braucht und Abwechslung mag. Es war klar, dass die Pflegeausbildung nicht meine letzte Station im Lebenslauf sein würde. Andererseits sind die Hierarchien und Arbeitsbedingungen im Krankenhaus sehr krass. Das hätte ich nicht mein Leben lang machen wollen.
Was meinen Sie genau damit?
Man wird als Pflegekraft oft nicht ernst genommen. Das frustriert, weil man mit mehr Teamarbeit so viel mehr rausholen könnte. Ich habe zum Beispiel im Krankenhaus immer sehr eng mit den Kolleg*innen aus der Physiotherapie zusammengearbeitet. Das war total wertvoll – aber auch die Ausnahme. Gerade zu den Ärzt*innen gibt es ein großes Gefälle. Man fühlt sich oft als Rädchen im Getriebe.
Wenn das nicht so wäre, wären sie dann in der Pflege geblieben?
Nein, es ist eine Kombination aus Gründen, die den Job für mich inzwischen unattraktiv macht. Und dabei geht es nicht nur um die Bezahlung.
Worum dann?
Wer in der Pflege arbeitet ist immer müde. Der Schichtdienst ist sehr anstrengend und auf keinen Fall gesund. Dazu kommt der permanente Zeitdruck, um seine Arbeit überhaupt zu schaffen. Nur wenn man seine Listen gut abgearbeitet kriegt, geht man mit ruhigem Gewissen in den Feierabend. Um das zu schaffen, wurden viele Überstunden gemacht und die Pausen ständig unterbrochen. Wir mussten uns oft daran erinnern, mal einen Schluck Wasser zwischendurch zu trinken. Dagegen ist mein Bürojob in der Wissensarbeit gerade unglaublich privilegiert.
Was müsste sich denn ändern, damit der Pflegeberuf wieder attraktiver wird?
Der extreme Sparkurs muss aufhören. Das System ist sehr auf Kante genäht. Nur wenn wieder mehr Geld und mehr Personal im System steckt, haben Pflegekräfte auch wieder Zeit selbstbestimmt Zeit einzuteilen und Entscheidungen zu treffen. Der Zeitdruck ist im Moment einfach zu groß. Wir sind immer nur gerannt.
Frau Tecklenburg, vielen Dank für das Gespräch.
Aktuell führt die Arbeitnehmerkammer Bremen gemeinsam mit der Universität Bremen eine Befragung unter (ehemaligen) Pflegekräften durch. Die Befragung erfolgt anonym und dauert etwa sieben Minuten: www.arbeitnehmerkammer.de/pflegestudie