Text: Annabel Oelmann (Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen)
Über meinen Arbeitgeber bin ich im Krankheitsfall sechs Wochen abgesichert. Bei weiterer andauernder Erkrankung übernimmt die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld. Das beträgt nur etwa 70 Prozent meines letzten Gehalts. Die Krankenkasse zahlt es auch nur maximal 78 Wochen. Danach erhalte ich eventuell noch zwölf Monate Arbeitslosengeld I und dann?
Berufseinsteiger haben überhaupt erst nach Ablauf der ersten fünf Jahre einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Doch die Ansprüche sind im Falle des Falles so gering, dass der finanzielle Absturz droht.
Deshalb empfiehlt die Verbraucherzentrale die Absicherung der Arbeitskraft mit einer privaten Versicherung gegen Berufsunfähigkeit.
Treffen kann es theoretisch jeden. Statistisch betrachtet wird jeder vierte Berufstätige irgendwann im Laufe seines Arbeitslebens berufsunfähig. Die Ursachen können vielfältig sein. Selten führen Unfälle dazu. In mehr als 90 Prozent der Fälle hat eine Berufsunfähigkeit andere Ursachen. Selbst diejenigen, die in einem vermeintlich „harmlosen“ Bürojob arbeiten, können beispielsweise aufgrund eines Burn-outs oder Rückenleidens berufsunfähig werden. Insgesamt verursachen Erkrankungen der Psyche oder des Stütz- und Bewegungsapparats mehr als die Hälfte aller Fälle. Wichtig: der persönliche Gesundheitszustand ist zur Beurteilung des Risikos vor Vertragsabschluss entscheidend.
Die Versicherer beurteilen und entscheiden individuell, ob jemand Versicherungsschutz gegen Berufsunfähigkeit erhält und zu welchem Preis. Da das Risiko zu erkranken im Alter steigt, ist es sinnvoll, einen Vertrag so früh und gesund wie möglich abzuschließen. Die Bedingungen verschiedener Anbieter reichen von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ und große Preisunterschiede sind möglich. Sorgfältige Vergleiche und unabhängige Beratung sind daher besonders wichtig.
Doch gerade bei Vorerkrankungen kann das teils schwierig sein. Ist eine Dread-Disease-Versicherung dann der richtige Ersatz? Diese leistet bei Eintritt von im Versicherungsschein definierten schweren Krankheiten und zahlt die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme einmalig aus. Eine monatliche Rente ist dagegen nicht möglich.
Die Absicherung der Arbeitskraft gehört zu den zwingend notwendigen Maßnahmen der persönlichen Existenzsicherung – und das Mittel der Wahl dafür ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Dread-Disease-Versicherungen dagegen sollten Sie erst nach Prüfung besserer Alternativen in Betracht ziehen.
Die gesetzliche Rentenversicherung bietet mittlerweile nur noch einen teilweisen Schutz bei Berufsunfähigkeit, und zwar für Personen, die vor dem 2.1.1961 geboren wurden.
Für alle anderen besteht die gesetzliche Absicherung also nur noch bei allgemeinen Einschränkungen aus gesundheitlichen Gründen, für die dann gegebenenfalls eine Erwerbsminderungsrente gezahlt wird. Das bedeutet unter Umständen, dass Menschen zwar nicht mehr ihrem Beruf nachgehen können, aber fachfremd und schlechter bezahlt weiterarbeiten könnten und schließlich auch müssen – ein Fliesenleger etwa als Fahrer.
Wer auch seine langjährig erworbenen und genutzten Qualifikationen – also seinen Beruf – absichern will, muss sich dafür mittlerweile selbständig um eine Versicherung auf dem privaten Markt bemühen.
Eine gesetzliche Absicherung ist vergleichsweise kostengünstig, solidarisch und ohne Prüfung zugänglich. Bei privaten Versicherungen ist das nicht so: Sie sind häufig sehr teuer oder gar unerschwinglich, und mitunter findet sich gar kein passender Anbieter. Gerade für typische Risikogruppen – etwa in der Pflege oder im Handwerk – wäre es deswegen wichtig, zurück zu einem breiten gesetzlichen Schutz zu kommen.
Wir regen unter anderem an, die gesetzliche Rentenversicherung auch in diesem Punkt wieder zu stärken und ein "Berufsminderungsgeld" einzuführen: Die Idee ist, dass beispielsweise eine Altenpflegerin, die aus gesundheitlichen Gründen erwiesenermaßen nur noch zu 60 Prozent in ihrem Beruf tätig sein kann, für die restlichen 40 Prozent einen anteiligen Ausgleich erhält. Dadurch könnte sie mit reduzierter Belastung weiterarbeiten, statt ihre Tätigkeit ganz aufgeben zu müssen und womöglich für längere Zeit bis zur Rente arbeitslos zu werden. Wir meinen: Wenn der Gesetzgeber die "Rente mit 67" einführt, muss er auch einiges dafür tun, dass diese mit guter Arbeit erreichbar wird.