Text: Meike Lorenzen
Foto: Kay Michalak
Die Automobilindustrie ist der Beschäftigungsmotor der deutschen Industrieproduktion. In 1.327 Betrieben arbeiten bundesweit 828.000 Beschäftigte. In Bremen ist das Mercedes-Benz-Werk mit 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber. Alle 68 Sekunden läuft hier ein Auto vom Band. Die Stückzahlen haben sich stetig gesteigert. Während 2010 noch rund 257.000 Fahrzeuge gefertigt wurden, sollen es 2017 rund 400.000 werden. In Personal schlägt sich diese Steigerung jedoch nicht nieder. In der Branche „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ betrug die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Land Bremen im Juni 1999 noch 19.012 Menschen, während es im Juni 2016 nur noch 14.527 waren. „Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe“, sagt Axel Weise, Referent für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik bei der Arbeitnehmerkammer. „Zum einen haben Robotik und bisherige Digitalisierungswellen Arbeitsplätze überflüssig gemacht. Zum anderen wurden immer mehr Bereiche an externe Dienstleister ausgelagert.“
Das Auslagern von Dienstleistungen hat sich zu einem speziellen Produktionssystem entwickelt. Mittlerweile gehen Experten davon aus, dass nur noch 20 Prozent der Wertschöpfungskette der Pkw-Produktion bei den Automobilherstellern selbst organisiert werden. „Häufig spielen ökonomische Gründe eine zentrale Rolle bei der Einbeziehung von Dienstleistern“, sagt Axel Weise. Zum Beispiel: In den 1980er-Jahren wurde als Erstes die Fertigung der Sitze ausgelagert, unter anderem deshalb, weil die Beschäftigten bei den Zulieferern nach Tarifen der Textilindustrie bezahlt wurden, die deutlich unter denen der Automobilindustrie lagen.
Die Bedingungen für gute und schlechte Arbeit scheinen sich entlang der Aufteilung der Beschäftigten in Stamm- und Randbelegschaft zu verteilen. Bedingungen für gute Arbeit finden sich vor allem direkt im MercedesBenz-Werk in Sebaldsbrück. Hier greifen konzernweite Vereinbarungen, wie die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie. Eine hoch qualifizierte Kraft kann hier über 80.000 Euro im Jahr verdienen, Facharbeiter zwischen 50.000 und 60.000 Euro. Selbst eine angelernte Hilfskraft kann es auf über 30.000 Euro bringen. Ähnlich positiv sind die Befunde bezüglich der Arbeitszeit (es gilt die 35-Stunden-Woche), der Leiharbeit (gleiche Bezahlung), der Bedingungen für den Renteneintritt (Renteneintritt mit 63 ohne Abschläge) und der Altersteilzeit sowie den Umgang mit Problemen des demografischen Wandels.
Die Untersuchungen haben gleichzeitig gezeigt, dass zwei Drittel der Belegschaft im Werk in Sebaldsbrück gewerkschaftlich organisiert sind. Es gibt also eine starke betriebliche Interessenvertretung, die wesentliche Voraussetzungen für die Etablierung guter Arbeit schaffen kann. Beim Thema Fremdvergaben und Werkverträge kommt die Interessenvertretung jedoch an ihre Grenzen.
Anders sieht es bei den Zulieferern aus. Etwa 45 bis 50 relevante Betriebe beliefern das Mercedes-Benz-Werk in Sebaldsbrück. Damit sind rund 8.000 Menschen im unmittelbaren Zuliefererbereich des Werks tätig. „Hier zeigt sich ein geteiltes Bild“, sagt Axel Weise. Bei den Systemzulieferern und den IT- und Ingenieursdienstleistern finden sich ähnlich gute Arbeitsbedingungen wie bei den Automobilherstellern selbst. Die Zulieferer von Bauteilen sind im Mittelfeld angesiedelt, während die Zulieferer im Bereich Kontraktlogistik und Facility-Management am unteren Ende des Feldes rangieren. „Von guter Arbeit sind diese Beschäftigten weit entfernt“, so Weise. Stundenlöhne werden teilweise bis unter zehn Euro gezahlt und die Arbeitszeiten sind oft nicht arbeitnehmerfreundlich organisiert. „Auch die betrieblichen Organisationen mit vielfach hierarchischen Formen des Managements sind bedenklich“, sagt Axel Weise. Teilweiseherrsche ein rüder Umgang mit der betrieblichen Interessenvertretung. Oft werde sie sogar aktiv behindert, indem die Betriebsratsarbeit nicht als Arbeitszeit anerkannt wird. Ein Lichtblick: In zwei Betrieben konnten gemeinsam von Betriebsrat und IG Metall um die Jahreswende 2016/17 Tarifverhandlungen initiiert werden, die aktuell vor einem positiven Abschluss stehen. Seitens der IG-Metall-Vertrauensleute im Mercedes-Benz-Werk in Sebaldsbrück wurden bereits Initiativen auf den Weg gebracht, nur noch tarifgebundene Zulieferer oder Dienstleister zu beauftragen. „Die Aussichten, eine diesbezügliche Regelung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung bei Daimler durchzusetzen, werden jedoch als gering eingeschätzt“, sagt Axel Weise.
„Offen ist zudem, wie sich die Herausforderungen der Zukunft auf die Qualität der Arbeit in der Branche auswirken“, sagt Weise. Einerseits würde der demografische Wandel bis 2030 zu einer wesentlichen Verknappung von Arbeitskräften führen. Andererseits erfordern die nächsten Entwicklungen der Digitalisierung (Industrie 4.0), die Forcierung der alternativen Antriebskonzepte (vor allem der E-Mobilität) und die Entwicklung autonomer Fahrsysteme völlig neue Qualifikationsprofile bei den Beschäftigten. Weiterbildung und Qualifizierung sollten für die Branchen in den nächsten Jahren deshalb ganz oben auf der Agenda stehen.