Fragen: Insa Lohmann
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Magnus Brosig: Der Gender Pension Gap (GPG) beschreibt die Lücke zwischen den durchschnittlichen Alterseinkommen von Frauen und Männern.
Brosig: Je nach Datengrundlage, Berechnungsmethode und berücksichtigten Einkommensquellen schwanken die Werte sehr stark. In Westdeutschland liegt er ungefähr bei 50 Prozent, in Ostdeutschland bei etwa 30 Prozent.
Marion Salot: Egal, ob gesetzliche Rente oder Betriebsrente – das ungleiche Alterseinkommen heute spiegelt vor allem wider, dass die Erwerbschancen und die Bezahlung von Frauen und Männern während ihrer Tätigkeit am Arbeitsmarkt bereits ungleich verteilt waren. Zwar hat die Erwerbstätigkeit der Frauen in den alten Bundesländern zugenommen, aber nach wie vor besteht – auch bei den Einkommen – eine große Lücke zwischen Männern und Frauen. So liegt der Gender Pay Gap in Deutschland derzeit bei 18, in Bremen sogar bei 22 Prozent.
Salot: Männer und Frauen haben oft sehr unterschiedliche Berufsbiografien. Frauen unterbrechen ihre Arbeit im Schnitt familienbedingt häufiger und länger, die Löhne in Berufen mit hohem Frauenanteil sind tendenziell niedriger, sie sind häufiger in nicht-sozialversicherungspflichtigen (Mini-)Jobs beschäftigt und arbeiten im Schnitt weniger Stunden. So arbeiten im Land Bremen mehr als die Hälfte aller Frauen in Teilzeit, aber nur 14 Prozent der Männer. Frauen zahlen dementsprechend weniger in die Rentenkasse ein.
Brosig: Ja, sie überbringt eigentlich nur die – manchmal schlechten – Nachrichten. Rente und GPG spiegeln gesamte Berufsbiografien wider: Wie hoch waren Wochenarbeitszeiten und Stundenlöhne? Wie viele Jahre hat jemand gearbeitet? Kurz- und mittelfristige Phasen können dabei gut ausgeglichen werden, zum Beispiel was zeitweilige Sorgearbeit angeht: Es gibt deutliche Rentenzuschläge für Kindererziehung in den ersten Lebensjahren, bei geringem Verdienst neben der Erziehung im Kindergarten-/Grundschulalter und bei unbezahlter Pflege, etwa von Angehörigen.
Brosig: Die langfristige „Abmeldung“, zum Beispiel nach der Geburt eines Kindes, oder eine Rückkehr in dauerhafte Teilzeit lässt sich nicht ausgleichen. Einer aktuellen Bertelsmann-Studie zufolge kostet es Frauen ungefähr 40 (ein Kind) bis 70 Prozent (drei Kinder) ihres Lebenserwerbseinkommens, wenn sie sich für Kinder entscheiden. Diese sogenannte „motherhood lifetime penalty“ ist das eigentliche Problem, das wir nicht in unserem Rentensystem lösen können.
Brosig: Damit würde die Politik sehr stark auf den Aspekt der Armutsvermeidung setzen anstatt sich an der Sicherung des jeweiligen Lebensstandards zu orientieren. Das dürfte viele vor den Kopf stoßen, auch beruflich erfolgreiche Frauen, die dann recht hohe Beiträge ohne nennenswerte Unterschiede in der späteren Rente zu zahlen hätten. Wir müssen die Probleme an der Wurzel packen.
Salot: Wir müssen die bestehenden Hürden für die Erwerbsbeteiligung von Frauen abbauen und gleichzeitig bessere Anreize schaffen, damit Frauen nicht in die Teilzeit-Falle schliddern. Wichtig sind hierbei unter anderem: Die professionelle Pflege ausbauen, die Mitversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung überdenken und Minijobs reduzieren. Außerdem müssen wir dringend mehr Lohngerechtigkeit und eine stärkere Tarifbindung schaffen, gerade in Branchen wie der Pflege oder dem Einzelhandel, wo besonders viele Frauen arbeiten. Ein wichtiger Schlüssel ist die Kinderbetreuung – in Bremen gibt es erheblichen Nachholbedarf: Vor allem hinken wir bei der Betreuung der unter 3-Jährigen hinterher. Nur 28,4 Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe finden einen Platz. Es fehlt aber auch an Kita-Ganztagsplätzen.
Salot: Insbesondere dann, wenn Kinder ins Spiel kommen, immer noch eine sehr große. Studien belegen, dass die meisten Mütter den Großteil der Sorgearbeit übernehmen, während Väter beruflich erst richtig durchstarten. Diesen Rückstand können Frauen häufig nicht aufholen und landen in der Rolle der Zuverdienerin – mit den entsprechenden Folgen für die Rente. Damit das nicht passiert, müssen wir am Arbeitsmarkt Anreize schaffen. Dazu gehört aber auch eine gleichmäßigere Arbeitsverteilung in Partnerschaften, sodass gerade Mütter nicht dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt „herausgekegelt“ werden oder nie richtig den Einstieg schaffen.
Brosig: Natürlich muss auch das Rentensystem stark aufgestellt sein, hier liegt viel im Argen. Ein höheres Rentenniveau und eine Erwerbstätigenversicherung, die auch Beamte und Selbstständige einbezieht, würden die Leistungsfähigkeit und Akzeptanz des Systems insgesamt verbessern.
Salot: Die sogenannte Grundrente ist ein längst überfälliger Rentenzuschlag für Menschen, die viele Jahre zu einem niedrigen Lohn gearbeitet haben. Aber auch für Frauen muss die finanzielle Unabhängigkeit das wesentliche Ziel sein: Möglichst dauerhaft eine existenzsichernde, gut bezahlte Arbeit, die für eine auskömmliche, ihre Lebensleistung anerkennende und stabile gesetzliche Rente sorgt, gerne ergänzt durch eine betriebliche oder private Zusatzvorsorge.
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